15.10.05 10:00 Alter: 15 yrs

[Symposium] 15.10.2005, 16 bis 19 Uhr: Föhrenwald

Rubrik: Ausstellungen, Allgemeine News

 

Das Projekt »Föhrenwald« von Michaela Melián verbindet viele verschiedene Herangehensweisen an die Thematik eines historisch vielschichtigen Ortes: Bis 03. Oktober war am Ende der Galeriestraße/Hofgarten die rotierende Panorama-Diaprojektion »Föhrenwald« von Michaela Melián zu sehen. Die gleichnamige Einzelausstellung Meliáns im kunstraum muenchen läuft noch bis 30. Oktober 2005 (Mittwoch bis Sonntag von 15 bis 19 Uhr).

Am Samstag, den 15. Oktober werden nun in einem Symposium die AutorInnen der Publikation »Föhrenwald« (Frankfurt/Main: Revolver, 280 Seiten, Deutsch/Englisch, ca. 200 Schwarzweiß-Abbildungen, inkl. Hörspiel-CD, € 24.- in der Ausstellung) aus ihrer jeweiligen Perspektive den Faden ihrer Buchbeiträge in kurzen Statements erneut aufgreifen und in der gemeinsamen Diskussion weiterführen.

TeilnehmerInnen:


Michael Hirsch, Philosoph und Politikwissenschaftler, München.

Nikolaus Hirsch, Architekt, Frankfurt/Main, und Unit Master an der Architectural Association, London.

Ronald Hirte, Archäologe und Historiker, seit 1998 Mitarbeiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora.

Michaela Melián, Künstlerin und Musikerin, lebt in Oberbayern.

Jim G. Tobias, Journalist, Mitbegründer des Nürnberger Instituts für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts.

Moderation:


Heike Ander, Kuratorin kunstraum muenchen, freie Ausstellungsmacherin und Redakteurin,  München/Wien.

Barbara Schäfer, Chefdramaturgin BR Hörspiel und Medienkunst, München.


Zum Hintergrund: Gebaut Ende der 1930er Jahre als Mustersiedlung und genutzt als Lager für ZwangsarbeiterInnen in der Rüstungsindustrie mit einer Kapazität von 4500 Personen, diente der Ort Föhrenwald (heute Waldram/Wolfratshausen) aus 302 Wohneinheiten in Form von Reihen- und Doppelhäusern nach Kriegsende mehr als zehn Jahre als exterritoriale Siedlung für jüdische Displaced Persons. Nach Auflösung des selbst verwalteten Lagers wurden seit 1956 schließlich kinderreiche, deutsche heimatvertriebene Familien angesiedelt. Trotz der wechselvollen Geschichte verändert sich das Gesicht der Siedlung nur kaum. Die unter nationalsozialistischer Herrschaft geplanten Gebäude bleiben im Wesentlichen gleich und repräsentieren die Ideale einer bis heute gültige Form der Eigenheimidylle, die nicht darauf schließen lässt, dass bis 1957 ein Drahtzaun die Siedlung umgab.

Während Ronald Hirte eine allgemeine Darstellung der historischen Ereignisse vor dem Hintergrund der Frage des aktuellen Umgangs mit einem solchen Ort liefert, erläutert Jim G. Tobias besonders den Aspekt der Ausbildung von Kämpfern für den israelischen Unabhängigkeitskrieg in Displaced Persons Camps in Oberbayern. Die Brüder Michael und Nikolaus Hirsch, die sich für die Publikation auf einen Spaziergang durch die Siedlung begaben, diskutieren diesbezüglich relevante gesellschaftspolitische, philosophische und architekturtheoretische Aspekte. Heike Ander erörtert im Kontext einer kulturkritischen Betrachtung der Siedlungsgeschichte Aspekte im Werk von Michaela Melián und übernimmt gemeinsam mit Barbara Schäfer, die als Chefdramaturgin beim BR Hörspiel und Medienkunst für die Produktion von Meliáns Hörspiel »Föhrenwald« verantwortlich zeichnete, die Moderation. Die Künstlerin Michaela Melián, auf deren Initiative das Gesamtprojekt zurückgeht, berichtet von ihrer Arbeit und der Recherche für das mehrteilige Projekt.

»Föhrenwald« ist ein Projekt des kunstraum muenchen in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk/Hörspiel und Medienkunst und dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München. Mit freundlicher Unterstützung des Landesamts für Vermessung und Geoinformation Bayern.

Das Projekt wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes.


Biografien der TeilnehmerInnen:

Michael Hirsch, Philosoph und Politikwissenschaftler in München, lehrt an der Universität Frankfurt am Main, der Akademie der Bildenden Künste in München und der Merz Akademie, Hochschule für Gestaltung, in Stuttgart. Seine Veröffentlichungen umfassen u.a. »Subversion and Resistance. 15 Theses on Art and Politics« (London, 2005), »Michael Asher: The Paradox of (in-)visibility« (interReview.org, 2005), »Adorno nach Benjamin. Politik des Geistes« (Zeitschrift für kritische Theorie, Nr. 18/19, 2004), »Adorno. Die Möglichkeit des Unmöglichen« (Berlin, 2003) u.a.

Nikolaus Hirsch, Architekt in Frankfurt am Main und Unit Master an der Architectural Association in London. 2003–04 Gastprofessor am Institut für Angewandte Theaterwissenschaften, Justus-Liebig-Universität Gießen. Seine Arbeiten umfassen u.a. die Gedenkstätte Börneplatz in Frankfurt am Main, Gleis 17 in Berlin, die Synagoge Dresden, eine Struktur für die Ausstellung »Frequenzen-Hz«, Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main, den Umbau des Bockenheimer Depots mit William Forsythe, ebenfalls in Frankfurt am Main, einen Musikpavillon für das Museu Serralves in Porto sowie das Museum Hinzert.

Ronald Hirte, Archäologe und Historiker, seit 1998 Mitarbeiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. 2001–05 Bearbeiter eines DFG-Projekts, seit 2005 Stipendiat im Graduiertenkolleg »Mediale Historiographien«. Lehraufträge an den Universitäten Bamberg und Weimar. Er veröffentlichte u.a. »Offene Befunde – Ausgrabungen in Buchenwald. Zeitgeschichtliche Archäologie und Erinnerungskultur« (Goslar, 2000).

Michaela Melián, Künstlerin und Musikerin, lebt in Oberbayern. Musik- und Kunststudium in München und London. Mitherausgeberin des Magazins »Mode und Verzweiflung« (München 1980–86). Musikerin der Band F.S.K.. Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen, darunter zuletzt in den Kunstwerken Berlin, 2005, Kunsthalle Baden-Baden, 2004, Werkleitz Biennale, Halle, 2004, Kunstverein München, 2004, Galerie im Taxispalais, Innsbruck, 2003, und Villa Arson, Nizza, 2002. Jüngste Veröffentlichungen umfassen den monographischen Ausstellungskatalog »Triangel« (New York/Berlin, 2003) sowie die CD/Doppel-LP »Baden-Baden« (Monika Enterprise, Berlin, 2004).

Jim G. Tobias, Journalist. Er dreht TV-Dokumentationen und publiziert über die Zeit des Nationalsozialismus und über jüdische Geschichte nach 1945. Mitbegründer des Nürnberger Instituts für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts. Er ist Mitherausgeber der 2003 vorgelegten deutschen Erstausgabe des Tagebuches »Die geheimen Notizen des K. Sakowicz – Dokumente zur Judenvernichtung in Ponary«. 2002 veröffentlichte er das Buch »Vorübergehende Heimat im Land der Täter – Jüdische DP-Camps in Franken 1945–1949«. Tobias ist Co-Autor von »Nakam – Jüdische Rache an NS-Tätern« (Hamburg, 2000).

Heike Ander, Kulturwissenschaftlerin, Ausstellungskuratorin und Redakteurin in München und Wien. Redakteurin von documenta 12 magazines, Mitarbeit am Rechercheprojekt »Lokale Modernen«. 2004–05 Projektleiterin der Ausstellung »Making Things Public – Atmosphären der Demokratie«, ZKM|Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe. Seit 2003 Mitglied im KuratorInnenteam des kunstraum muenchen.

Barbara Schäfer, Chefdramaturgin, Bayerischer Rundfunk Hörspiel und Medienkunst, München.